Gothic Friday im Juli
Diesen Monat geht es beim Gothic Friday um Symbole und deren Verwendung in der Gothic-Szene. Schönes Thema, das das Soziologenherz höher schlagen lässt.
Ich hatte zwar auf ein Juli-Thema rund um den maximalen Lichtschutzfaktor in Sonnencreme, Tiefseetauchkurse, Höhlen-Kuren und Camping im Friedwald gehofft, aber die Frage nach der persönlichen Verwendung von Symbolen ist auch ganz anregend für die grauen Zellen.
„Mit Symbolen habe ich es nicht so“ schoss es mir durch den Kopf, als ich die Aufgabenbeschreibung auf spontis.de durchlas. Weder Kreuz noch Pentagramm, Thors Hammer oder keltische Ornamente schmücken meinen Körper. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass mich Symbole nicht interessieren würden. Dann hätte ich auch meine Profession verfehlt, denn in der Soziologie stellen Symbole einen prominenten Untersuchungsgegenstand dar. Insbesondere der so genannte Bedeutungsüberschuss, der Symbole von Zeichen unterscheidet, übt eine eigene Faszination aus.
So reagiere ich zumeist sehr schnell und interessiert, wenn ich Menschen sehe, die Symbole an sich tragen. Ob die Trägerinnen und Träger sich der gängigen Bedeutung der zur Schau gestellten Symbole bewusst sind? Haben sie eine individuelle Be-Deutung für diese Menschen? Werden die Symbole als Erkennungs- und damit als Identifikationsmerkmal genutzt oder sollen sie andere Menschen provozieren? Insbesondere bei der Verwendung religiöser und politscher Symbole gilt in der Gothic-Szene seit Jahren „Nicht kleckern, klotzen!“ (Diese Redewendung wird blöderweise dem Wehrmachtsoffizier Heinz Guderian zugeschrieben).
Für mich funktionieren insbesondere Symbole gut, die für eine bestimmte Musikrichtung stehen oder Kreationen von Künstlern sind, die mich erfreuen und inspirieren. Früher haben wir das „Männchen“ von Einstürzende Neubauten auf Kleidungsstücke und Schulmöbel gemalt und wollten damit eine Anti-Haltung zum Ausdruck bringen. Wir konnten uns aber auch daran erkennen und ein Zugehörigkeitsgefühl wurde geschaffen. Ich habe darin nie eine Höhlenmalerei aus Mexiko gesehen (die es wohl ursprünglich war). So viel zum Bedeutungsüberschuss für dieses Symbol.
🙂
Es sind eben diese aus der Musik stammenden Symbole, die ich in meinem Alltag trage und die mich schon lange begleiten. Da ist die sogenannte Teufelsharfe der Band Phillip Boa and the Voodoo-Club. Dieses Symbol ist eine Kreation des Grafikers und Fotografen Dirk Rudolph. Wofür dieses Symbol neben der Musik der Band steht, findet sich auf dem „Member-Pin“:
Ein weiteres Symbol, das für mich mehr als nur ein Logo oder Zeichen ist, stammt vom Künstlerkollektiv LAIBACH.
Beide Symbole kommunizieren für den wissenden Betrachter, welche musikalischen Vorlieben ich habe, ohne dass der Name der Künstler explizit genannt werden muss. Für die Ahnungslosen wirken die Symbole leicht irritierend, bleiben aber unterhalb der Schmerzgrenze bürgerlicher Vorbehalte. Ich will ja nicht jeden Tag und jedem Zeitgenossen meine Weltsicht erklären müssen.
Täglich begleitet mich meine Tasche: Egal ob auf Festivals oder bei beruflichen Terminen, die Buttons zieren stets die Front. Hin und wieder traut sich mal ein Gesprächspartner und fragt, was es mit den „Knöpfen“ auf sich hat. Gerne erkläre ich daraufhin die Bedeutung der Symbole. Und dann darf sich der mutige Frager einen Button als Geschenk aussuchen. Das ist zumeist sehr lustig.
😎
Diese Gallerie kann also auch mal variieren. Die „Apfelfront“ und „I ♥ my attitude problem“ gehören aber zur ständigen Ausstellung (solange die Welt das braucht). Ebenso mein EBM-Schlüsselband.
Eigentlich sind wir doch wandelnde Litfasssäulen. Die Farbe Schwarz hat ebenso Symbolcharakter wie auch das passende Schuhwerk. Ob Pikes oder Boots, ein nonverbales Statement ist das eigene Erscheinungsbild allemal, wenn man nicht mit der bunten Mode geht.
This entry was posted on 10. Juli 2011 at 22:00 and is filed under allgemein with tags Buttons, Einstürzende Neubauten, Gothic, Gothic Friday, Laibach, Phillip Boa, Soziologie, Symbole. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.
13. Januar 2018 um 20:28
[…] Fotos wiederum hat Tobikult in der von ihm gewohnten Art seinen Beitrag perfekt inszeniert. Selbst wenn ihm zuerst „Mit […]
29. Juli 2011 um 21:45
[…] Fotos wiederum hat Tobikult in der von ihm gewohnten Art seinen Beitrag perfekt inszeniert. Selbst wenn ihm zuerst […]
20. Juli 2011 um 00:08
Hi!
Schöner Artikel wieder! 🙂
Wobei: Wo zieht man nun die Grenzen
in der Symbolik? Natürlich spricht mein
schwarzes Outfit zB für sich. Ich käme jetzt
trotzdem kaum auf die Idee, darin ein Symbol
zu sehen.
Bandsymbole stellvertretend für bestimmte
Musikrichtungen finde ich schon ganz gut –
das hat was. 😉 Wobei ich selbst eher nicht dazu
neige, die Logos bestimmter Gruppen durch die
Gegend zu tragen.
Dunkle Grüße. 🙂
Melle
19. Juli 2011 um 16:00
Die Koppel ist ausnahmsweise real und ein feines Schmuckstück für vor den Bauch.
http://wtc.laibach.org/to-serve-and-protect-belt/dp
1. August 2011 um 16:23
Und ich stellte mich schon seelisch wie moralisch auf eine Rarität ein.
Wie geil ist das denn. Koppel sowie Armbinde. Da werden wohl ein paar Gelder dorthin umgeleitet werden müssen.
Besten Dank für den Hinweis.
1. August 2011 um 16:56
Ein Heldentrupp ist das…
Wozu gibt es internationale Überweisungsmöglichkeiten, wenn die allein Kreditkarten akzeptieren. Und zudem nur putzig anzusehende UPS-Preise beanschlagen.
Doch immerhin, ein Versuch war es wert.
15. Juli 2011 um 18:04
Die Laibach-Koppel ist bösartig. Gehe ich recht in der Annahme, dass diese wirklich existiert und nicht nur ein CD-Cover blieb. Wenn ja, so wäre das übel, denn dann müsste ich mich wohl auf die Suche nach solch einem Stück machen.
Mit der NSK geht ohnehin eine starke Faszination einher. Und so lange ich Laibach nun schon kenne…immerhin ist ein Album von denen älter als meine bessere Hälfte…so oft kam immer etwas zwischen mir und deren Auftritten.
[…]Eigentlich sind wir doch wandelnde Litfasssäulen. Die Farbe Schwarz hat ebenso Symbolcharakter wie auch das passende Schuhwerk[…]
Da hast du wohl Recht, so wie sich manche über Markenkleidung, und deren Schnitt, nach außen hin präsentieren, so setzen andere auf greifbare Symbole, wenn nicht sogar Metapher.