Archiv für Hauptstraße

MoschMosch

Posted in Essen und Trinken with tags , , , , , , , , , , , on 17. Juni 2010 by tobikult

MoschMosch ist nicht die Steigerung eines rüpelhaften Tanzstils sondern ein Gastro-Franchise-Konzept. Heidelberg hat jetzt auch so ein MoschMosch-Restaurant. In bester Lage auf der Hauptstraße lockte uns das puristische Möbeldesign und die Lust auf gesundes japanisches Essen, wie wir es von wagamama in London kennen, zu einem Testessen.

Die Sitzmöbel wirken ein wenig gebrechlich, die Hocker und 2er-Bänke haben aber auch ganze Kerle einen Abend mühelos ertragen.

Ansonsten geht es dem Heidelberger MoschMosch so wie den Hessen. Sie müssen ohne Koch auskommen. Was für ein ganzes Bundesland nach einer späten Gnade schmeckt, sollte uns an diesem Abend wie eine fernöstliche Werkstoffprüfung von Geduldsfäden vorkommen. Und das ging so:

Wir bestellten um kurz nach 20:00 Uhr unsere Vor- und Hauptspeisen sowie den ersten Satz Getränke. Der Bierpreis liegt bei 3,00 EUR für 0,4l Krombacher, durchschnittlicher Altstadtpreis.

Die Getränke kamen nach kurzer Zeit an unseren Tisch und alles wirkte auf uns, als ob hier ein funktionierendes System neumodischer Systemgastronomie seine Arbeit aufgenommen hätte. Als jedoch um 20:50 Uhr noch kein Essen in Sicht war, haben wir uns freundlich fragend danach erkundigt. Die Antwort kam sofort und schockierend ehrlich:„Wir haben zur Zeit keinen Koch, versuchen aber die Essen bald zu bringen.“ Schockschwere Not! Der bundesweite Fachkräftemangel ist offensichtlich ernster, als bisher von uns angenommen! Wir raten dringend, alle Opel-Mitarbeiter auf Gastro-Berufe umzuschulen, vielleicht haben wir dann noch eine Chance!

Um kurz nach 21:00 Uhr kamen die ersten der vielen Kellnerinnen mit Essenschalen aus der Küche gelaufen und unsere Stimmung hellte sich auf.  Unsere Gerichte waren aber nicht dabei. Das fiel auch unserer Bedienung auf und sie kam mit einer neuen Nachricht und mit leeren Händen aus der Küche zu uns: „Ihre Bestellung wurde versehntlich ‚aufgespießt‘, es wird jetzt aber vorgezogen.“ Da wir keine Ahnung von kopfloser Systemgastronomie haben, schauten wir nur verdutzt, konnten aber keinen Rat zur Besserung der Situation geben.

Unser Jungprofi für Hiobsbotschaften kam jetzt richtig in Schwung und wählte die bewährte Option „Der deutsche Kunde ist immer dann zufrieden, wenn er was geschenkt bekommt“. Das Essen war zwar immer noch nicht auf dem Tisch, aber wir bekamen jeder einen Gutschein geschenkt: Beim nächsten Besuch würden wir bei Bestellung von zwei Essen das günstigere geschenkt bekommen! Übergeben wurden uns die Pappkarten mit den Worten: „Falls ihr doch nochmal wiederkommen wollt.“

Das wirkte beinahe zynisch, in Anbetracht des fehlenden Erstessens das zweite kostenfrei in Aussicht zu stellen. Das fiel auch unserer Beschwerdemanagerin auf und sie legte unaufgefordert nach und bot an, die Erstgetränke nicht zu berechnen (@meine Begleitung: Ätsch! Das kommt davon, nach zehn Minuten theatralischem Studium der Getränkekarte doch stets die kleine Apfelsaft-Schorle zu wählen).

21:20 Uhr und die Vorspeise findet ihren Weg auf unseren Tisch:

Gefüllte Teigtaschen. Jeder Happen 1 EURO.

Gefüllte Teigtaschen. Jeder Happen 1 EURO.

21:40 Uhr. Es kommen drei der vier Hauptgerichte. Wir würzen alle ordentlich mit der Soßenauswahl nach, es soll ja nach etwas schmecken.

21:50 Uhr. Essen Nr. 4 erreicht unseren Tisch. Sieht lecker aus, ist aber frei vom zugesagten Hühnerfleisch. Unsere Service-Fachkraft: „Soll ich es nochmal mit in die Küche nehmen?“ Nur über unsere Leichen! Der Spatz in der Hand geht auch als kleines Huhn durch!

Nudeln mit ohne Huhn.

Im Ergebnis können wir der Welt mitteilen, dass unsere Geduldsfäden internationalen Qualitätsstandards entsprechen und wir derart wohlgenährt sind, dass wir während der täglichen Wachphase spontan über eine Stunde ohne feste Nahrung auskommen.