Archiv für Piercing

Piercing is not a crime!

Posted in allgemein with tags , , , , , , , , on 9. Mai 2013 by tobikult

piercing-is-not-a-crime1

Habt ihr ein Klo?

Dann braucht ihr dieses Buch!

😀

Im Ernst, diese Lektüre ist etwas fürs stille Örtchen. Die Geschichten und Interviews, die Tarek hier zusammengetragen hat, dauern nie länger als 30 Minuten. Für mich daher auch die perfekte Pendler-Lektüre und so kurzweilig wie ein guter Punkrocksong. Da kennt Tarek sich aus: „Am besten unter zwei Minuten bleiben und unbedingt auf das Gitarrensolo verzichten.“

piercing-widmung1

Letzte Woche habe ich die Anekdote „Der Tempel der Ishtar“ im IC 2276 nach Hannover gelesen. Der Titel der Story weckte zunächst das Interesse meiner Banker-Sitznachbarin auf dem Weg nach Frankfurt. Immer wieder schaute sie zu mir herüber und ich akzeptierte, dass sie mitlas. Nach ein paar Sekunden drehte sie sich ruckartig weg und fing an ihre Tasche unterm Sitz vorzuziehen, stand auf und setzte sich auf einen anderen Platz. Fein, mehr Beinfreiheit für mich. Könnte es daran liegen, dass die Ausführungen über das Perforieren von mehr oder weniger intimen Körperstellen in ihrer Detailverliebtheit zwischen Feuchtgebiete und Fifty Shades Of Grey changieren?

Egal. Wer seine bürgerlichen Scheuklappen ablegt und sich locker macht, bekommt mit diesem Buch einen wunderbaren Einblick in eine Arbeitswelt, für die es keine Berufsausbildung gibt und kein Schulabschluss von Nöten ist. Letzteren kann Tarek eh nicht vorweisen und für ihn hat sein Buch eine klare Botschaft:
„Ich möchte dieses Buch als Fallbeispiel schreiben. Als Gegenbeweis für Mütter unerzogener Kinder. Als Beleg dafür, wie aufregend ein Leben ohne Schulabschluss ist, wie der Durst nach Wissen nicht aus dem Zwang einer Bildungsinstitution entsteht, wie finanzielle Sorglosigkeit nicht von einer Berufsausbildung abhängen muss, wie emotionale Intelligenz und moralische Werte nicht notwendigerweise durch Lehrer, Eltern oder Polizei begünstigt werden.“
Wenn er Pech hat, ist ihm das so gut gelungen, dass er demnächst zu Jauch und Beckstein eingeladen wird.

Tarek Ehlail hat nicht nur dieses unterhaltsame Buch über sein Leben als Piercer gerschrieben, sondern er zählt für mich auch zu dem Unkonventionellsten, was Celluloid passieren kann.
Schon seine alten Werke aus den autonomen Zeiten, in denen SABOTAKT laufen lernte, waren schonungsloser Punk!
So ist dieses Buch eine weitere gelungene Alternative zum Schnorren und ich wünsche ihm, dass seine zweite Intention, dieses Buch der Welt vor den Latz zu knallen, aufgeht und „eine Zeit lang warmes Essen auf den Tisch bringt.“

 

Könnt ihr euch eigentlich noch an meinen ersten Blogeintrag auf werturteilsfrei.de erinnern? Ich habe damals von der Premiere von Tareks Kinofilm „Chaostage – We are Punks!“ berichtet. Das ist auf den Tag genau v-i-e-r Jahre her.

😯

Margarinetopflauf

Posted in allgemein with tags , , , , , , , , , , , , , on 1. April 2010 by tobikult

Diese Woche hatte ich einen Termin in der Klinik für Sozialmedizin. Ich wurde angefragt, ob ich an einer Studie zu Duftstoffallergien teilnehmen wolle. Ich dachte, vielleicht kann ich ein paar Nagetieren das Leben retten und nebenbei meine durch eine befreundete Psychologin diagnostizierte latente Dissozialität (ICD-10, F60.2) verifizieren lassen. Eine zweite Meinung einzuholen ist heutzutage ja geradezu Pflicht bei Erkrankungen!

Ich wurde für ein einleitendes Interview in einen Raum mit Tisch und Stühlen geführt. Der Tisch war mit Keksen und Getränken gedeckt. Der Mitarbeiter stellte sich als Dr. A. vor und bot mir mal gar nichts von den Lebensmitteln an. Das war bereits der Moment, an dem ich mich errinnerte, dass beizeiten Studien für manipulative Tests missbraucht werden und man mit einem ganz anderen Fokus untersucht wird als vordergründig angegeben. Herr Dr. A. stellte sich damit vor, dass er sehr wohl promoviert, aber kein Mediziner sei, vor allem kein Dermatologe. Etwaige Fachfragen solle ich zu einem späteren Zeitpunkt seinen Medizinerkollegen stellen.

Wir starteten das Interview mit Fragen zu Alter, Größe, Haushaltseinkommen und möglichen früheren oder aktuellen Hauterkrankungen. Dann wurde meine Augen- und Haarfarbe bestimmt. Die Frage, ob ich die Haare gefärbt hätte oder das jemals getan habe, beantwortete ich weltmännisch mit einem Kanzlerzitat „Ich lege Wert auf die Feststellung, dass meine Haare weder gefärbt, noch getönt sind.“ (Gerhard Schröder 2002).

Dann folgte eine Wendung im Interview. Den Dialog zwischen Dr. A. und mir will ich der Welt nicht vorenthalten:

Dr. A.: Hatten Sie jemals Piercings und tragen Sie aktuell welche?
Ich: Nein und nein.
Dr. A.: Haben Sie sich schon mal ein temporäres Henna-Tattoo machen lassen?
Ich: Nein (ist gelogen, habe mich aber erst später wieder daran erinnert).
Dr. A.: Haben Sie ein permanentes Tattoo?
Ich: Nein, mir fehlt noch das Motiv.
Dr. A.: Also, ich bin noch mit der Einstellung aufgewachsen, dass nur Proleten und Seemänner tätowiert sind.
Ich: Soso. Die Queen soll ja auch eins haben. Und der Ötzi hatte gleich mehrere.
Dr. A.: Was? Das kann gar nicht sein.
Ich: Tätowierungen und andere Körpermodifikationen wie Piercing sind in sehr vielen Kulturen dieser Erde gewöhnlicher Körperschmuck.
Dr. A.: Woher wollen Sie das wissen?
Ich: Ich bin Soziologe und habe mich mit dieser Thematik beschäftigt.
Dr. A.: Ah, Soziologe. Ich halte hier ja Seminare in Medizinsoziologie für Medizinstudenten. Fachfremd. Soziologie ist ja nicht so komplex, das habe ich mir leicht autodidaktsich aneignen können.
Ich: Wie schön für Sie, ich konnte die 14 Semester gut gebrauchen.  🙄
Dr. A.: Haben Sie Allergien?
Ich: Ja, Frühblüher.
Dr. A.: Also, zu Allergien habe ich ja meine eigene Sichtweise. Ich glaube, für Allergien hat man sich selbst entschieden. Wenn Sie genau überlegen, finden Sie bestimmt auch bei sich den Moment, an dem Sie sich entschieden haben Heuschnupfen zu haben.
Ich: Aha. 😯
Dr. A.: Seit wann haben Sie denn diese Allergie?
Ich: Seit meinem 22. Lebensjahr.
Dr. A.: Schlechte Entscheidung. Als ich acht Jahre alt war, habe ich mich entschieden Heuschnupfen zu bekommen. Mein Vater war Allergologe und ich dachte, so mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Nach einem Jahr habe ich mich dann aber umentschieden und danach keine Allergie mehr gehabt. Erst kürzlich habe ich ein kleines Mädchen sagen hören: „Ich darf das nicht essen, ich bin Allergikerin. Meine Eltern machen mir immer etwas Besonderes zu essen.“ Überlegen Sie mal, was dieses Kind für Macht über seine Eltern durch diese Allergie-Entscheidung bekommt.
Ich: Sehr interessanter Ansatz. Wer weiß, vielleicht entscheide ich mich demnächst gegen meinen Heuschnupfen. Aber man muß ja mal alles ausprobiert haben, um mitreden zu können. Und ein bisschen Macht über andere zu haben…
😎

Als ich wieder im Wartezimmer saß, war ich beeindruckt, wie es gelingen kann, binnen fünf Minuten durch so viele Fettnäpfchen zu latschen, obwohl man eigentlich einen standardisierten Interviewleitfaden vor der Nase hat.

Ich nehme an der Studie übrigens nicht weiter teil. Erst später wurde mir in einem Behandlunsgzimmer das geplante Prozedere offenbart:
Zwei Teststreifen mit potentiell allergieauslösenden Stoffen werden auf den Rücken des Probanden geklebt und müssen dort drei Tage und Nächte bleiben. In diesen drei Tagen darf der Proband sich nicht waschen und keinen Sport treiben. Dann werden die Teststreifen entfernt und untersucht, ob es zu Hautreaktionen mit oder ohne Juckreiz gekommen ist.

Liebe Nagetiere, lieber Dr. A.,
es tut mir wirklich leid, dass ich nicht weiter mitmachen kann, aber ich bin noch mit der Haltung aufgewachsen, dass Körperhygiene ein Zeichen von Selbstachtung ist; und ohne Sport und wenn es übermäßig juckt werde ich unleidlich und dann kommt meine Dissozilialität wieder so stark zur Geltung…

Und hier noch ein paar ausgewählte Beispiele für milleufreie Körperkunst, lieber Herr Dr. A., um den Gewöhnungsprozess bei Ihnen zu fördern (ich habe für diese Bildergallerie extra nur Akademiker ausgewählt).
Kollegiale Grüße

:mrgreen:

Tätowierungen:

Piercings:

© tobikult