Ich habe es geschafft! Da liege ich allen Menschen, denen ich eine musikalische Ader nachsage, seit Tagen in den Ohren und nun hat sich tatsächlich noch jemand gefunden, der mit mir am 17.05.2009 nach Stuttgart ins LKA gegurkt ist. DANKE!
Gegeben wurden fünf! Bands für 20 EUR aus dem Verlagshaus „I USED TO FUCK PEOPLE LIKE YOU IN PRISON“.
Der Strich Acht hat uns sicher ins Ländle gefahren, litt aber an Hitzewallungen („am Wasser liegts nicht, ist keins drin…“). Bereits beim Einparken kamen uns die ersten Skins und Punks entgegen und ich beschloss erst einmal den Stern vom Kühler zu nehmen – ist MEINER, bleibt MEINER!
Nach dem Check-In und dem Startbier spielten Born to Lose auf. Zusammen mit den vier anderen Zuhörern haben wir eine ausgefeilte Performance in Sachen Streetpunk gehört und gesehen. Ein bisschen Greenday der alten Tage kamen da mit dem frühen Papa Roach zusammen. Klanglich und technisch waren wir überzeugt und haben uns großzügig über das in den hinteren Reihen tummelnde, fragwürdige Publikum hinweggesetzt und Beifall gezollt.
Toxpack hatten doppelt so viele Freunde bei der Zuhörerschaft wie Born to Lose. Der Frontmann wiegt aber auch locker doppelt soviel wie der vom vorherigen Chor. Für seine ca. 130 kg Kampfgewicht bewegte er sich, wie auch die gesamte Kombo, überraschend leichtfüßig übers Parkett und lieferte rundum eine solide Leistung ab.

Nach diesem Vorgeplänkel kam die Band, die mich nach Stuttgart lockte: The Creepshow. Diese kanadische Formation hat den Floor ordentlich gefüllt und die ersten harten Jungs haben sich in Pogo-Laune gerempelt. Die Darbietung war beeindruckend, besser als nach den Clips bei YouTube und co zu erwarten war. Eine gelungene Melange aus handbetriebender Stromgitarre, Old-School-Orgel, gezupften Kontrabass und schnellen Takten, verfeinert mit schöner Frontfrau(stimme) und treffsicherem Männerchor hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Ich glaube, ich habe eine weitere Gruppe, die ich in die heavy-rotation einbinde. Perfekte Autofahrmusik, sogar wenn man gar nicht fährt.

Mein Faible für Bands mit weiblichem Hauptgesang wurde weiter gefestigt und Sarah „Sin“ Blackwood ist die beste Zweitbesetzung, die man sich wünschen kann. Wenn ich mal schwanger werde, will ich auch so ersetzt werden!
Es summte noch in den Ohren, da kamen auch schon die grüngeschminkten und mit Kunstblut garnierten Horrorpunks von Demented Are Go. Nach zwei Liedern sind wir erst mal frische Luft schnappen gegangen. Die Performance wies optische und akkustische Zumutungen auf. Es lag der Verdacht nah, dass der Sänger die Wartezeit nicht mit den Groupies sondern mit Johnnie, Jim und anderen Versuchungen überbrückte. So wird aus Horrorpunk schnell ein Gruselkabinett. Vor den heiligen Hallen war entsprechend viel los. Ich entdeckte eine Leuchtreklame, die die Nachwuchsprobleme der sich dort zusammengefundenen Gemeinde in großen Lettern von der Wand in die Welt strahlte und drückte auf den Auslöser.

Wir waren lange draußen. Sehr lange. Und Demented Are Go haben auf der Bühne durchgehalten. Die Merch-Stände boten eine überschaubare Zuflucht und auch das altbekannte „sehen und gesehen werden“ wurde bald eintönig. Entweder Glatzen mit Ben Sherman Shirts und Springern in himmelblauen Jeans und hängenden Hosenträgern oder Surferboys, deren Vintage-Car-Träume nur auf einem lummeligen T-Shirt existieren. Dazwischen hin und wieder (aber irgendwie zu wenige) Urgesteine, Orginale und Stilikonen.

Gegen 22.00 Uhr war dann alles b(e)reit für die Broilers. Punkrock aus Düsseldorf hat sowieso schon etwas, was in mir Stimmungen erzeugt, wie bei den Großeltern ein echter Besuch bei „Zum blauen Bock“. Doch diese jungen Volksmusiker haben ein Problem. Es stehen in der ersten Reihe gleich drei charismatische und dazu noch begabte Künstler: Sammy, Ron und Ines. Wie soll man sich da auf das Ganze konzentrieren oder mal die handwerkliche Leistung von Chris und Andi und dem Burschen am Sax auf sich wirken lassen?
Mit diesen sechs Animateuren führten uns die Broilers durch eine Nacht voller Schweiß, Gegröhle und Gerempel. Dabei wirken vor allem Sammy und Ines wie die Streetworker des proletarisch anmutenden Publikums. Da alle Anwesenden die Texte vorher auswendig gelernt hatten und die Künstler nicht müde wurden zum Mitmachen aufzufordern, entstand schnell das notwendige Wir-Gefühl, damit betreutes Singen, Trinken und Tanzen gelingt. Das Jugendamt und die Trachtengruppe der örtlichen Ordnungsmacht hat auf alle Fälle einen guten Grund, der ganzen Band mal Blumen zu schenken.
Nach über zwei Stunden dieser erlebnispädagogischen Gruppenarbeit entließen uns die Broilers wieder in unser schnödes Leben. Geblieben ist nicht nur die Erkenntnis, dass man auch mit Menschen, die je nach Alkoholisierungsgrad zwischen einfach-strukturiert und grobschlächtig oszillieren, einen über fünfstündigen Konzertabend prima überleben kann, sondern daß es im Punk auch Strömungen gibt, in denen das Beherrschen der eigenen Instrumente und eine geübte Sangesstimme keineswegs hinderlich wirken. Persönlich bleibt mir nach diesem Abend nach heutiger Selbstdiagnose eine latente Harthörigkeit.
Als Randnotiz soll nicht unerwähnt bleiben, dass es hübsch anzusehen war, wie hoch die Dichte der Skins und Iro-Punks war, die mit eigenem oder elterlichen Neubenz vor- und abfuhren. Das findet man so wahrscheinlich auch nur im Ländle.