Archiv für Rammstein

Jahrgangsmusik oder alles eine Soße?

Posted in Musikalische Früherziehung with tags , , , , , , , on 12. Januar 2014 by tobikult

Als 1994 die Fanta4 ihr Projekt Megavier ans Licht der Öffentlichkeit brachten, konnte ich mich nicht des Eindrucks verwehren, dass der dort präsentierte Musikstil den Jungs deutlich mehr zusagte, als die braven chart-kompatiblen Klänge ihrer eigentlichen Combo. Mit „Genug Ist Genug Ist Genug“ und anderen Songs hätten sie jedenfalls ohne Probleme als Vorgruppe von Rammstein auftreten können, die es ja auch erst seit 1994 unter diesem Namen gibt.
megavier
Ebenso gab es das Metal-Projekt von Phillip Boa and the Voodooclub mit dem innovativen Namen Voodoocult. Auch hier wird das Jahr 1994 als Geburtsdatum genannt.
voodoocult

Und, dürfen wir hoffen, dass 20 Jahre später wieder ein experimentierfreudiger Musikjahrgang an unsere Ohren kommt? Ich drücke uns die Daumen. Vorgestern hat jedenfalls die alte Quängelbacke Jan Delay einen Song veröffentlicht, der Hoffnung weckt, dass erneut Wanderbewegungen in der Kunstwelt zu erwarten sind.

PS: Und komm mir jetzt keiner mit der ollen Heino-Platte vom letzen Jahr!

Schwarzer Tanztee

Posted in allgemein, Kultur, Musikalische Früherziehung with tags , , , , , , , on 4. Mai 2011 by tobikult

Der Spiegel wendet sich in seiner Online-Ausgabe wieder einmal der Gothic-Szene zu. Entdeckt wurde eine Tanzschule für Freundinnen und Freunde der Schwarzen Musik. Sehr lustig, wenn VNV Nation und Wumpscut für Rumba empfohlen oder Rammstein und Frontline Assembly zum Samba-Paartanz aufgelegt werden.
:mrgreen:

Danke Andrea! Den Artikel hätte ich ohne Dich glatt übersehen!

Der Unterhaltungswert tanzender Gothics, vor allem der Knicklicht-Fraktion, ist eh nicht zu unterschätzen.

😎

Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr

Posted in Kultur with tags , , , , , , , , , on 14. Dezember 2009 by tobikult

Mir klingeln immer noch die Ohren und die Netzhaut ist für immer gebranntmarkt. Wer hätte auch gedacht, dass die Neuauflage von Zum blauen Bock derart brezelt?
Die Selbsthilfegruppe Rammstein war nach Stuttgart gekommen und begleitete musikalisch die Wanderausstellung „Wir Glühbirnen müssen zusammenhalten„.

Die CombiChristen irritierten als Vorgruppe die Fangemeinde gehörig. Rammstein hat mit dieser Wahl der Einheizer ein deutliches Zeichen in Richtung EBM gesetzt, ich bezweifle jedoch, dass die Masse an Zuschauern damit was anfangen konnte. Das Volk der Rammstein-Hörer ist sowas von heterogen, das gab es nur noch so bei Auftritten von Joan Baez (die bestimmt nie auf ein Rammstein-Konzert gehen würde). Da vom Mephisto-Rentner über die brave Sachbearbeiterin von der Ortskrankenkasse bis hin zum Metalhead alle vertreten waren, erfüllte dieses Musikangebot die Vorgaben, um als Volksmusik durchzugehen. Die Apotheken-Umschau, das Sprachrohr der tolerierten Drogendealer, empfiehlt für die Wintermonate, auch künstliche Lichtquellen als Sonnenersatz zu nutzen. Die Rammstein-Tour hätte locker die Kassenzulassung geschafft, so gründlich wurden wir bestrahlt. Vielleicht wurden wir auch nur vor den Ich-Will-Zeilen „Wir wollen, dass ihr uns vertraut, wir wollen, dass ihr uns alles glaubt“ von Aliens auf der Bühne geblitztdingst.

Es bleibt festzuhalten, dass Rammstein hören nicht ausreicht, es will gesehen werden. Sie sind nicht nur die „Diener eurer Ohren“, sondern auch eurer Augen! Mehr kann man zu Musik live nicht zeigen. Im Gegensatz zur Versagerbande der Rammstein-Community, die glaubten, sie könnten den Online-Kartenverkauf neu erfinden und sich so im Einklang mit den talentfreien Organisatoren der Schleyerhalle fanden, passte bei der Bühnen- und Technik-Crew einfach alles (ok, sonst wären vielleicht Menschen in Flammen aufgegangen, das motiviert natürlich). Das war bestimmt nicht mein letztes Rammstein-Konzert.

Hier noch für alle die Erinnerung, mit wie wenig Schlaf das Karten-Kauf-Wochenende auskommen musste:

[Posted with iBlogger from my iPhone]

Aufmarsch der Heilsbringer

Posted in allgemein with tags , , , , on 2. Oktober 2009 by tobikult

image265892091.jpg…wenn sie jetzt noch Jesus Christus auf die Bühne bringen, denke ich bei mir, schon steht der nächste Heiland auf den Brettern, die das Messiasleben bedeuten. Jesus scheint unter diversen Pseudonymen aufzutreten. Alle im Saal erkennen ihn sofort, nur ich fall auf seine Tarnung als ehemals erfolgreicher Marketingleiter, früherer Spitzensportler, Schiedsrichter im Ruhestand oder Opernregisseur mit übersteigerten Sendungsbewusstsein herein. Meine Sonntagschulbildung versperrt mir den erlösenden Blick auf diese zeitgenössischen Propheten. Hier wird nicht Wasser zu Wein gewandelt, hier wird mit Multimedia und Tamtam die Seele umworben und individuelles Glück ausgelobt.

Nein, ich bin nicht auf einem Infotag von Scientology (wobei die sich hier sicher wohl fühlen würden), ich bin auf einer Grossveranstaltung für Motivation, Incentives und professionelle Anreizsysteme. Dieses Ereignis ist zunächst einmal eine Kombination von Dauervortragsbeschallung und begleitender Messe. Geworben wurde für dieses Ereignis sinnigerweise mit einer Möhre. Das ist hilfreich, macht es doch schon mal von Beginn an klar, wer der Esel bei dem Spiel ist.

Empfangen wurden die Heerscharen von Vertriebs- und Marketingzombies (die können unmöglich alle echt sein) und ich in der großen Halle mit lauter Musikbeschallung. Chorknabe Marky-Mark sang „I wanna see more happy people“ und ich stimmte innerlich zunächst „I will survive“ und dann „Das letzte Streichholz“ von Oomph! an.

Seit zwei Stunden bestaune ich nun Magier, die uns anhand eines roten Strick (gelungenes Heranführen an das Thema „Seil und Du“) erläutern, wie Kommunikation im Team oder zwischen Mann und Frau gelingen könne. Andere Redner erklären mir, dass meine, mit speziellen Übungen stimulierten, Wirbelzwischenräume mein Schlüssel zu mehr Leistung und ungeahnten Erfolgen seien. Die Schulungs-DVD gibt es heute statt für 149 EUR für sensationelle 98 EUR. Manch einer geht auf dieser Kaffeefahrt noch weiter und verkündet die einzig wirkungsvollen drei Schritte, um von den Mitmenschen geliebt zu werden. Das Auditorium hängt an seinen Lippen und manches weibliche Publikum quietscht erregt auf. Bevor ich meine bewährte Einschrittmethode zu verbindlicher Wut ungefragt demonstriere, verlasse ich den Ort des Geschehens.

Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch in dieser Halle in vier Wochen, da spielen Rammstein hier auf. Das kostet mich dann 59 EUR, das Tagesticket für die heutige Wallfahrt gab es für Normalsterbliche zum Preis von 125 bis 299 EUR. Da hat der Veranstalter sich wohl eher an den traditionellen Preisen für Erlösung durch die katholische Kirche orientiert.

Auf der Rückfahrt bleibe ich mit dem Zug unterwegs hängen: „Streckensperrung zwischen Karlsruhe und Heidelberg, Notarzteinsatz im Gleis“. Es gibt noch viel Arbeit für Heilande.