Archiv für Tod

Muss ich mich schämen, dass ich noch lebe?

Posted in allgemein with tags , , , , , , , on 28. August 2013 by tobikult

„Die Guten gehen immer zuerst.“ Diesen Satz lesen ich immer wieder in Nachrufen ebenso wie in Artikeln über Konjunktur, Fusion und Management. Nicht sonderlich aufmunternt für die, die noch da sind.

Mir schoss dieser Satz gestern durch den Kopf, als ich der Tagespresse entnahm, dass Wolfgang Herrndorf gestorben sei. Der Autor meines bisherigen Lieblingsbuchs „In Plüschgewittern“ wird also keine weiteren Lieblingsbücher für mich schreiben.

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Ich erinnerte mich an seinen Blog, den ich vor über einem Jahr das letzte Mal aufgesucht hatte und über seine darin veröffentlichten Berichte aus der Neuropsychiatrie. Ich tippte seinen Namen in das Browserfeld ein und bekam Panik, als die Website sich nicht öffnete. Werden Blogs nach dem Tod des Bloggers sofort offline geschaltet? Warum funktioniert Googles Archiv-Funktion nie, wenn man sie braucht?

Heute ist sein Blog „Arbeit und Struktur“ wieder erreichbar. Seine Weggefährtin und Lektorin Katrin Passig, die bereits über Twitter informierte, dass Wolfgang Herrndorf den Zeitpunkt seines Todes selbst wählte, hat einen letzten Eintrag gepostet.

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Ich frage mich, was aus meinem Blog wird, wenn ich gegangen bin. Bleiben die Inhalte erhalten oder zieht der Bloghosting-Dienst irgendwann den Stecker? Sollte ich den Umgang mit meinen Blogs in meinem Testament regeln oder die Passwörter im Schließfach hinterlegen, damit meine Angehörigen einen letzten Eintrag posten können? Selten so ahnungslos gewesen bei etwas, was ich schon seit Jahren betreibe und mag!

Aber jetzt lese ich erst einmal erneut „In Plüschgewittern“. Wenn es seine Wirkung auf mich nicht eingebüßt hat, ist mir das mit dem Blog danach eh egal.

Tod in St. Gallen – Stiftsbibliothek

Posted in allgemein, Dunkle schöne Welt with tags , , , , , , , , , , on 20. Dezember 2011 by tobikult

Gegen Ende meines reiseintensiven Jahres habe ich mich in St. Gallen auf die Spuren des Todes begeben. Bei leichtem Schneefall und Temperaturen um den Gefrierpunkt, kam mir eine Indoor-Variante meiner Ausflugsziele sehr gelegen.

In der Stiftsbibliothek , die zum UNESCO Weltkulturerbe zählt, finden sich nicht nur ein beachtlicher Buchbestand, der neben dem ältesten deutschsprachigen Buch Abrogans auch die bedeutende Nibelungenhandschrift B aus dem Jahre 1260 beinhaltet.

Vielmehr kann dieser Ort als ein Mahnmal gegen Kulturgüterraub angesehen werden. Opfer und Täter wohnen hier gut sichtbar unter einem Dach. Von den Zürchern wurde im Zuge des Toggenburgkriegs 1712 der St. Galler Globus geklaut und bis heute nicht zurückgegeben. Als „Wiedergutmachung“ ließen die Züricher 2006 eine Kopie anfertigen und in St. Gallen aufstellen, behielten aber das Original. In Sichtweite der billigen Kopie des Erdenballs liegt die ägyptische Mumie Schepenese. Zusammen mit ihren Sarkophagen „ruht“ sie seit 1836 unter dem üppig ausgestalteten und bebilderten Himmel des Bibliothekssaals. An Rückgabe der Mumie an ein ägyptisches Museum wurde anscheinend bisher noch nicht gedacht.

Im Untergeschoss befindet sich ein Lapidarium. Eine gefällige Sammlung steingewordener Architekturgeschichte, von der Römerzeit bis zur Bunkertorästhetik der Moderne, lässt sich hier erkunden.

Gothic Friday im August

Posted in allgemein with tags , , , , , , , , , , , on 20. August 2011 by tobikult

Diesen Monat sind die Schwarzen Stubenhocker aufgerufen, die Top 5 der dun­kels­ten Bücher oder die Top 5 der bes­ten Sach­bü­cher zu präsentieren. Ich war mir beim ersten Durchlesen der Aufgabenstellung relativ sicher, dass dies keine große Herausforderung darstellen sollte. Bücher haben wir genug: zum Thema Gothic, Tod und Teufel locker 2 Meter Druckwaren. Ich hatte zudem im Frühjahr bereits auf spontis.de eine Auswahl an wissenschaftlicher Literatur über Grufties sowie die Schwarzen Führer vorgestellt.

Aber was sind denn die Favoriten? Welches Buch hat mich nachhaltig berührt oder gar beeinflusst? Drei Wochen bin ich jetzt vor den Regalwänden in unserer Wohnung auf- und abgeschritten. Freiwillig hat sich keines der Bücher bei mir gemeldet. So ist meine Auswahl auch nicht zwingend als Leseempfehlung zu vestehen. Lovecraft, Tolkien und Pullmann verursachen Lesespaß bis tief in die Nacht, keine Frage, aber gruftig ist das nicht unbedingt. Auch die Edda, die Nibelungen oder Germanische Mythologie 1 & 2 vertiefen das Wissen über Aspekte, die unseren Lebensstil immer wieder beeinflussen. Aber dann müsste ich auch die Bibel hier mit aufnehmen…

😎

Ich habe mich letztlich entschlossen, eine vielleicht etwas eigenwillig anmutende TOP 5 zusammenzustellen. Auf eine Rangordnung habe ich dabei verzichtet.

😉

Gedichte des Expressionismus. Ein Überbleibsel aus dem Deutsch-LK von 1991. Für die meisten Mitschülerinnen und Mitschüler war dieses Büchlein der Ausdruck einer schulischen Durststrecke. Für mich zeichneten die Gedichte von Georg Trakl und seinen Kollegen ein Gefühl des tiefen Verstehens. Es gibt also noch andere wirre Geister, die so wahrnehmen wie ich. Düstere Literatur habe ich bis heute nicht gefunden.

Lust auf eine Leseprobe?

Trübsinn von Georg Trakl

Weltunglück geistert durch den Nachmittag.
Baraken fliehn durch Gärtchen braun und wüst.
Lichtschnuppen gaukeln um verbrannten Mist,
Zwei Schläfer schwanken heimwärts, grau und vag.

Auf der verdorrten Wiese läuft ein Kind
Und spielt mit seinen Augen schwarz und glatt.
Das Gold tropft von den Büschen trüb und matt.
Ein alter Mann dreht traurig sich im Wind.

Am Abend wieder über meinem Haupt
Saturn lenkt stumm ein elendes Geschick.
Ein Baum, ein Hund tritt hinter sich zurück
Und schwarz schwankt Gottes Himmel und entlaubt.

Ein Fischlein gleitet schnell hinab den Bach;
Und leise rührt des toten Freundes Hand
Und glättet liebend Stirne und Gewand.
Ein Licht ruft Schatten in den Zimmern wach.

Das Urteil von Franz Kafka. Noch ein Buch aus der Schulzeit. Die kurzen Erzählungen, die in diesem Taschenbuch zusammengefasst sind, haben eine Magie, die mich bis heute fesselt. Die Welt auf eine sehr eigentümliche Weise wahrzunehmen ist das eine, sie auch noch so brilliant in Worte zu fassen, eine seltene Kombination.

Leute! Lest mehr Kafka!

Bevor mein alter Deutschlehrer noch anfängt Freudentänzchen aufzuführen, hier der Boden der Tatsachen:

Nachtgewächse von Gary Larson. Dieses Buch soll stellvertretend für das Gesamtwerk The Far Side hier aufgeführt werden. Humor für Randgruppen.

Utopia von Thomas Morus. Wäre es nicht ein philosophischer Dialog über ein alternatives Gesellschaftssystem, es könnte glatt als SciFi durchgehen. Mich haben die Ausführungen des fiktiven Berichterstatters, der von Utopia zurückgekehrt ist, oft an Star Trek erinnert. Heute rätseln die Wissenschafter wieder, ob es sich bei diesem Werk vielleicht doch nur um eine Satire von Morus handeln könnte. Ausreichend Stoff für „Das kann er jetzt nicht ernst meinen!“-Anflüge hält das Buch allemal bereit.

Gothic-Lexikon von Volkmar Kuhnle. Dieses Buch war für mich 1999 ein wertvolles Nachschlagewerk und hat mir eine Reihe von Musikentdeckungen beschert. Damals gab es noch kein Wikipedia und kein youtube. Knappe Beschreibungen von Musikstilen, deren Vertreter und unter diesen auch noch eine Menge Querverweise. Analog-Googlen in seiner schönsten Form.

Außer Konkurrenz will ich Euch an dieser Stelle noch zwei Ausstellungskataoge ans Herz legen:

Gothic Nightmares. Eine Ausstellung der Tate Britain aus dem Jahr 2006. Eine wunderbare Zusammenführung von Werken von Fuseli, Blake und mit ihnen in Verbindung gebrachten Künstlern.

Six Feet Under. Autopsie unseres Umgangs mit Toten. Meine zweite  Empfehlung dreht sich um eines meiner Lieblingsthemen: Tod und was wir daraus machen (Notiz an mich: ich sollte dazu mal einen eigenen Blogbeitrag schreiben). Die Ausstellung „Six Feet Under“ wurde schon in verschiedenen Museen in Europa gezeigt und seziert vor unseren Augen die Varianten des Umgangs mit dem Tod und denen, denen er widerfährt.

Da kotzt das Texterherz

Posted in allgemein with tags , , , , , on 18. August 2010 by tobikult

Bin ich blöd, oder ist der Dativ auch dem Akkusativ sein Tod?